Kirchen als Arbeitgeber genießen ja einen generell schlechten Ruf. Sie hätten unverständliche Sonderrechte, dürften das Privatleben ihrer Mitarbeiter kontrollieren und hätten überhaupt Privilegien, die nicht mehr zeitgemäß seien. Die Art und Weise, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgingen, habe mit „christlicher Nächstenliebe“ oft nichts zu tun.

Fakt ist, dass die Kirchen nach dem öffentlichen Dienst die größten Arbeitgeber in Deutschland sind. Etwa 1,3 Millionen Menschen arbeiten in irgendeiner Form für die Kirchen. Diese betreiben ca. 18.000 Kitas, 2.000 Schulen, 650 Krankenhäuser und unzählige Altenheime. Hinzu kommen Drogenberatung, Familienberatung, Schwangerschaftsberatung, Armenhilfe und vieles mehr. Und die ganz normalen Pfarrämter und Kirchenverwaltungen gibt es ja auch noch. Zum Vergleich: Der größte private Arbeitgeber Deutsche Post AG (wenn man den, obwohl zu 100% im Bundeseigentum, als „privat“ durchgehen lässt) hat „nur“ ca. 510.000 Arbeitnehmer, danach folgt Siemens mit gerade mal noch ca. 330.000.

Allerdings sind „die Kirchen“ ja kein homogener Block. Als Arbeitgeber gibt es nicht die zwei großen Kirchen, also die römisch-katholische und die evangelisch-lutherische, sondern unzählige Landeskirchen, Bistümer, Kirchengemeinden, Orden, Stiftungen, gemeinnützige kirchliche Unternehmen, die Caritas und die Diakonie.

Allen diesen unterschiedlichen Trägern ist aber das folgende Verständnis ihrer Tätigkeit gemeinsam: Sie dient der Verkündung des Evangeliums in Wort und Tat. Dies erfolgt von allen Beschäftigten aller Ebenen zusammen als sogenannte „Dienstgemeinschaft“.

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. So nimmt man doch an, die allermeisten Arbeitnehmer gehen zwar nicht nur, aber doch ganz wesentlich zum Arbeiten, um Geld zu verdienen. Und man denkt doch, Arbeitgeber wollen mit der Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter normalerweise Gewinn machen.

Und aus diesem unterschiedlichen Verständnis resultieren die unterschiedlichen Wahrnehmungen: Wenn man Arbeitskraft gegen Geld kauft, um sie gewinnbringend einzusetzen, dann ist vollkommen egal, ob die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer überhaupt religiös ist, welcher Religion er oder sie angehört, ob sie oder er geschieden, wiederverheiratet oder homosexuell ist. Wenn man gemeinsam das Evangelium in Wort und Tat verkünden will, werden diese Dinge aber plötzlich wichtig. Da prallen Welten aufeinander, da versteht man sich gegenseitig nicht und da gibt es Konflikte, die auch in der Rechtsprechung heftig ausgetragen werden.

So ist es aus Sicht der Kirchen tatsächlich so, dass prinzipiell auch die Raumpflegerin, die den Boden wachst, dadurch einen Beitrag leistet, das Evangelium zu verkünden. Und deswegen sich zum Evangelium bekennen, hinter dessen Prinzipien stehen und auch privat danach leben sollte. Nicht nur die inzwischen mehrheitlich säkulare Gesellschaft, sondern auch die staatliche arbeitsgerichtliche Rechtsprechung kann darüber nur den Kopf schütteln: Bei Menschen, die wirklich das Evangelium verkünden, kann man ja noch nachvollziehen, dass sie das, was sie da predigen, selbst nicht nur glauben, sondern auch leben sollten. Aber dem Fußboden ist doch völlig egal, woran der- oder diejenige, der ihn wachst, eigentlich glaubt und wie sie oder er lebt. Hauptsache, der Boden ist ordentlich gewachst, das freut auch die mehr oder weniger Gläubigen, die über ihn laufen. Und damit sollte es dann auch sein Bewenden haben.

Diese Sichtweise haben die staatlichen Arbeitsgerichte, die ja für individuelle arbeitsrechtliche Streitigkeiten auch bei kirchlichen Arbeitgebern zuständig sind, inzwischen durchgesetzt. Die Kirchen müssen das, wenn auch zähneknirschend, hinnehmen. Bei Tätigkeiten, die nicht „verkündungsnah“ sind, dürfen den Arbeitnehmern folglich keine besonderen religiösen Pflichten auferlegt werden, auch nicht von kirchlichen Arbeitgebern und schon gar nicht im Privatleben. Und letztlich sind auch kirchliche Arbeitgeber realistisch genug, um zu sehen, dass sie beim derzeitigen Arbeitsmarkt froh sein können, überhaupt noch Arbeitskräfte zu finden und man bezüglich deren Haltung zur Religion und religiöser Gebote nicht allzu wählerisch sein kann, wenn man will, dass Kitas, Krankenhäuser, Altenheime etc. überhaupt noch ihren Betrieb aufrecht erhalten können.

Allerdings durften bislang kirchliche Arbeitgeber zumindest noch selbst entscheiden, welche Tätigkeiten sie für so „verkündungsnah“ halten, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmern besondere religiöse Pflichten auferlegen. Die Kirchen selbst sprechen von „Loyalitätspflichten“, die besagen, dass gegen Kernprinzipien des jeweiligen Glauben nicht verstoßen werden darf. Und das sind nun mal gerade bei den Katholiken die Themen Kirchenaustritt, Wiederverheiratung nach Scheidung und rechtlich bekräftigte gleichgeschlechtliche Partnerschaft, ob man das nun „eingetragene Partnerschaft“ oder „Homo-Ehe“ nennt. Also die Klassiker, an denen sich immer die öffentlichen Debatten um Kündigungen deswegen entzünden, bei denen der Volkszorn hochkocht.

Die Kirchen betrachten insbesondere diejenigen ihrer Mitarbeiter als „verkündungsnah“, die besonders eng mit anderen Menschen arbeiten oder Leitungsfunktionen haben – Stichworte Erzieher/innen und Chefärztinnen/-ärzte. Auch da konnte und kann z.B. die katholische Kirche nicht alle Positionen mit Katholiken besetzen und macht das auch nicht – wenn sie aber Katholiken einstellt, verlangt sie von diesen, sich auch an die katholische Lehre zu halten und kündigt in der Konsequenz das Arbeitsverhältnis wegen „Loyalitätsverstoßes“ nach Kirchenaustritt, Wiederverheiratung nach Scheidung oder Heirat eines gleichgeschlechtlichen Partners. Das Bundesverfassungsgericht hat ihr hierbei bislang stets unter Verweis auf die kirchlichen Grundrechte auf Religionsfreiheit (in dem Fall die Freiheit, nur Arbeitnehmer zu beschäftigen, die der von ihrem kirchlichen Arbeitgeber vertretenen religiösen Lehre anhängen und deren Vorschriften beachten) und innerkirchliche Selbstbestimmung den Rücken gestärkt. Vom Bundesarbeitsgericht, das sich hierzu mit dem Europäischen Gerichtshof verbündet hat, kommt in jüngster Zeit jedoch scharfer Gegenwind. Drei Argumente werden hierbei vor allem genannt:

Erstens: Wenn die Kirchen für bestimmte Positionen Arbeitnehmer einstellen, die nicht dieser Kirche angehören, können sie diejenigen Arbeitnehmer, die dieser Kirche angehören, nicht strenger behandeln und nicht mehr oder anderes von ihnen erwarten als von den anderen auch.

Zweitens: Gerade die katholische Kirche könne nicht einerseits, so lange ihr Arbeitnehmer nach Trennung und/oder Scheidung in einer „wilden Ehe“ lebt oder einen gleichgeschlechtlichen Partner hat, den er aber nicht heiratet, dies durch „angestrengtes Wegschauen“ tolerieren, wie das typischerweise eben läuft, aber in dem Moment, in dem der Mitarbeiter sich zu seiner neue Partnerin oder seinen gleichgeschlechtlichen Partner dann auch formell bekennt und folglich heiratet, plötzlich kündigen. Dies sei inkonsequent und schon deswegen nicht hinnehmbar.

Und drittens, ganz aktuell: Ob eine Tätigkeit „verkündungsnah“ ist oder nicht und deswegen bestimmte Loyalitätsanforderungen auch im Privatleben gestellt werden können oder nicht, entscheidet die Kirche nicht alleine, sondern müssen die staatlichen Gerichte überprüfen.

Aus Sicht der Kirchen ist das alles nicht nur unverständlich, sondern geradezu unerträglich, weil es ihr Selbstverständnis massiv in Frage stellt. Der typische säkulare Bürger indes versteht nicht, wie die Kirchen sich nur so haben können. Es bleibt also spannend, und Konflikte in diesem Feld sind weiter vorprogrammiert.

In einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung brauchen also beide Seiten, sowohl der kirchliche Arbeitgeber, als auch der betroffene Arbeitnehmer, einen Rechtsbeistand, der beide Welten versteht und deswegen die jeweiligen Interessen optimal vertreten und auch der anderen Seite und dem Gericht vermitteln kann. Zum Beispiel uns.