„Schreib bloß nicht wieder über Corona“, empfahl mit eine gute Freundin dringend. „Das wollen die Menschen doch nicht mehr lesen“, sagte sie. „Schreib etwas Lustiges“, regte sie an, „oder etwas Besinnliches.“ Sie schlug mir vor, zum Advent etwas über Werte zu schreiben.

Werte und Corona – das passt dann aber wieder gut zusammen. Denn die eigentliche Herausforderung dieser Zeit ist es ja, sich völlig widersprechende Wertvorstellungen zusammenzubringen. Slogans wie „Distanz ist das neue Miteinander“ bringen das beängstigend gut rüber – hört sich das doch eher an wie ein Zitat von George Orwell als eine irgendwie positive Botschaft.

Derartige bei allem Bemühen hilflose Floskeln zeigen ja nur das Dilemma unserer Tage deutlich auf: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das macht ihn aus. Die Fähigkeit zu Empathie und Zusammenarbeit, das Bewusstsein seiner eigenen Würde ist das, was ihn von anderen Säugetieren unterscheidet.

Zusammenkünfte sollen aber möglichst nur noch virtuell stattfinden. Statt in persönlichen Besprechungen treffen wir uns in Video-Konferenzen. Wir haben erfahren, dass da sehr viel mehr geht, als man bis letztes Jahr noch sich vorstellen konnte, aber dennoch hat Juristenkollege Heribert Prantl recht, wenn er sagt. „Das ist kein Ersatz, das ist eine Krücke!“

Gleichwohl gelingen große Durchbrüche, wie die internationale Zusammenarbeit zur Entwicklung von Impfstoffen zeigt. Und dass nunmehr in Kürze mit groß angelegten Impfaktionen begonnen und dadurch Corona der Schrecken genommen werden soll, erscheint dann als der neue Stern von Bethlehem, der die dunkle Nacht erhellt, in der die Herberge nicht voll, sondern geschlossen ist und in der weder Hirten, noch Könige, sondern möglichst niemand zu Besuch kommen soll, schon gar nicht die Enkel zu Oma und Opa – auch wenn es möglicherweise deren letzte Weihnachten sind und das nicht nur wegen der Gefahr einer Corona-Infektion.

Und während sich die Politik beraten von Naturwissenschaftlern und geführt von einer Physikerin weiterhin leidlich erfolgreich um die technischen Aspekte der Pandemie-Bekämpfung bemüht und in der Abwägung zwischen epidemiologischen und wirtschaftliche Zwängen die emotionalen Nöte der Menschen bestenfalls in wohl formulierten Regierungserklärungen adressiert, aber nicht sichtbar in die Entscheidungsfindung einbezieht, nutzen Reichsbürger, Neurechte und Verschwörungstheoretiker diese Unsicherheit gnadenlos aus und spalten die Gesellschaft.

Advent gerade in diesen Zeiten fordert uns auf, uns auf den Wert der kleinen Dinge zu besinnen, die uns früher zu selbstverständlich erschienen, um sie überhaupt wahrzunehmen. Anstatt den Großveranstaltungen hinterher zu trauern, die derzeit aus guten Gründen nicht stattfinden dürfen, sollten wir die Begegnungen im Kleinen genießen – mehr telefonieren, die Möglichkeiten von Videochats nutzen (auch wenn wir das bis letztes Jahr noch für unnützen neumodischen Kram hielten, für den wir vermeintlich zu alt sind), und auch die persönlichen Begegnungen in dem kleinen Rahmen, der weiterhin möglich ist. Und selbst wenn die Epidemiologen jetzt die Köpfe schütteln und sich die Haare raufen – es spricht nichts dagegen, statt einmal im Monat 10 Bekannte auf einmal zu sehen, zehnmal im Monat jeweils einen anderen Menschen zu treffen und Zeit exklusiv nur mit ihr oder ihm zu verbringen. Dadurch kann man sich viel näher kommen als in einer größeren Clique. Das sind keine „unnötigen Kontakte“, die weiter reduziert werden müssten, sondern das ist soziale Hygiene, die ebenso notwendig ist wie virologische Hygiene. In einer Gesellschaft aus sozialen Wesen kann man Pandemiebekämpfung nicht auf Kontaktreduzierung beschränken, auch wenn dies vordergründig der epidemiologischen Logik entspricht.

Wo die Epidemiologen aufhören, fangen die Juristen erst an zu denken und zu arbeiten. Und so möchte ich schließen mit den klugen Worten, die die Schriftstellerin und Juristenkollegin Juli Zeh in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ (Ausgabe 46 vom 5.11.2020) geschrieben hat unter dem treffenden Titel, der für sich schon ein Leitspruch ist:
„Ringt um das beste Argument – nicht die größte Angst“:

„Lasst uns die Gesundheit dieser Gesellschaft schützen, indem wir den AHA-Bestimmungen drei SOS-Regeln zur Seite stellen:

Sensibilität im Umgang mit anderen Ängsten,
Offenheit für abweichende Positionen,
Sorgfalt beim Formulieren der eigenen Ansichten.

Unsere Chancen, gut durch die Krise zu kommen, werden rapide steigen.“

Das gilt übrigens nicht nur für diese Krise, das sind allgemein sehr gute Empfehlungen für jede Lebenslage. Dass wir dies beherzigen, macht einen guten Teil unseres Erfolges als Anwälte aus.

Das Team der Sozietät Dr. Schloz – Braun – Kiefer und der Kanzlei Mast wünscht Ihnen besinnliche Adventstage und eine gesegnete Weihnachtszeit, in der Sie mindestens gedanklich Ihren Liebsten so nahe sind wie nie zuvor. Und natürlich: Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.