Medienbericht über den Prozess gegen Yves R. in Offenburg und das Urteil z. B. hier:
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/urteil-prozess-yves-r-oppenau-100.html

„Sag mal, kann es sein, dass ich Deine Kollegin Frau Mast im Fernsehen gesehen habe?“, werde ich in letzter Zeit öfter gefragt. Ich kann das, zugegebener weise mit stolz geschwellter Brust, gerne bestätigen. Ja, unsere Kollegin Melanie Mast, Fachanwältin für Familienrecht und Strafverteidigerin, verteidigt zusammen mit einem Kollegen aus Karlsruhe den Mann, der im Sommer letzten Jahres als angeblicher „Schwarzwald-Rambo“ bundesweit zweifelhafte Berühmtheit erlangt hat.

Im Juli 2020 hatte Yves R. in seiner Waldhütte bei einer Kontrolle 4 Polizisten entwaffnet und war anschließend mit deren Pistolen in den Wald geflohen. Natürlich hielt man einen vorbestraften „Waffennarren“, der Polizei-Dienstwaffen nebst Munition erbeutet hatte und jederzeit benutzen könnte, für potentiell gefährlich, weswegen die Polizei mit einem Großaufgebot von 2.500 Beamten und mehreren Hubschraubern die Wälder rund um Oppenau durchkämmte, bis sie ihn nach 6 Tagen schließlich festnehmen konnte. Dies hat natürlich bundesweit Aufsehen erregt und es als Nachricht bis in die Tagesschau geschafft.

Am Tag der Festnahme von Yves R. hatte Melanie Mast Dienst beim Strafverteidigernotruf des AnwaltVerein Offenburg und war deswegen am Telefon, als die Polizei anrief, um für diesen wie in derart schweren Fällen vorgeschrieben einen Rechtsbeistand zu organisieren. Und es gelang Melanie Mast, das Vertrauen von Yves R. zu gewinnen, so dass sie ihm dauerhaft als Pflichtverteidigerin beigeordnet wurde. Den zweiten Pflichtverteidiger, Herrn Rechtsanwalt Yorck Fratzky aus Karlsruhe, hatte das Gericht parallel hinzugezogen. Mit der Bestellung zweier Pflichtverteidiger tat sich die Staatsanwaltschaft zunächst schwer, aber dem Argument „allein der Umstand, dass an einem Samstagmorgen drei Staatsanwälte und zwei Rechtsanwälte zusammenkommen, um bei der Haftbefehlseröffnung dabei zu sein, zeigt ja wohl, dass es kein normales Verfahren ist“, hatte sie letztlich nichts entgegenzusetzen. Bei üblichen Haftbefehlseröffnungen, also der Bekanntgabe des Haftbefehls und der Anhörung des Beschuldigten hierzu durch den Ermittlungsrichter, ist normalerweise weder ein Vertreter der Staatsanwaltschaft noch der Presse anwesend.

Schon während der groß angelegten Fahndung und verstärkt nach der Festnahme meldeten sich auch Stimmen aus der Bürgerschaft in Oppenau und Umgebung zu Wort, die Yves R. keineswegs als gefährlichen Waffennarren ansahen, sondern als freundlichen und hilfsbereiten Sonderling, gegen den die Polizei völlig unverhältnismäßig vorgegangen sei.

Zwischen diesen Extremen „Wald-Rambo“ und „harmloser Sonderling“ hatte die Justiz nun herauszufinden, was für ein Mensch Yves R. wirklich ist und was in der Waldhütte wirklich geschah, um ein gerechtes Urteil zu fällen – und dies erneut im Rampenlicht bundesweiter Medienberichterstattung. Dabei zeigt der vor dem Landgericht Offenburg geführte Prozess, wie professionell und ruhig eine Verfahrensführung auch unter größter medialer Beobachtung möglich ist, sofern alle beteiligten Seiten in der Lage und willens sind, sich unabhängig vom Presserummel auf eine sachliche Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben zu konzentrieren. Und wie so oft stellte sich heraus, dass es keine einfache Wahrheit gibt und die Wirklichkeit um einiges komplexer ist, als in kurzen Medienberichten darstellbar.

Ersichtlich ist Yves R. weder der gefährliche Waffennarr, als den ihn die einen, noch der harmlose Sonderling, als den ihn die anderen sehen. Er ist wohl ein Mensch, der im Leben viel mitgemacht hat und einfach seine Ruhe haben will. Leider hat er aber bisher aufgrund einer psychischen Erkrankung nur unzureichend taugliche Verhaltensmuster entwickelt, um mit Stress und Frustration umzugehen, sondern neigt, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt, zu Reaktionen, für die das Wort „unangemessen“, nun ja, unangemessen verharmlosend wäre. Welchen Anteil an der Entwicklung eine angebliche „überzogene Provokation“ durch einen Polizisten einerseits, die „unangemessene Reaktion infolge seiner Erkrankung“ darauf von Yves R. andererseits hatten und wie dies zu gewichten ist, ist die menschliche Seite dieses Falles.

Die juristische Frage ist, ob die Bedrohung der Polizisten durch eine Schreckschusswaffe, damit diese ihre Dienstwaffen abgeben, nun eine „Geiselnahme“ ist, wie dies die Staatsanwaltschaft sieht, oder nur „Bedrohung“ und „Widerstand und tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“, wie das die Verteidigung bewertet und deswegen selbstverständlich nicht auf einen Freispruch, sehr wohl aber auf eine niedrigere Gefängnisstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, plädierte. Verstöße gegen das Waffengesetz und auch die Verletzung eines SEK-Beamten bei der Festnahme standen außer Frage.

Die Annahme der Geiselnahme ist abhängig von dem aus Laiensicht wohl marginalen Unterschied, ob Yves R. in der Waldhütte alle Polizisten mit der Waffe bedroht hat, oder spezifisch einen, so dass die anderen Polizisten nicht aus Sorge um sich selbst, sondern vor allem aus Sorge um ihren Kollegen die Waffen abgelegt hätten. Oder juristisch gesprochen, ob sich Yves R. des Polizisten „bemächtigt hat“, um ein weiteres Ziel, das Ablegen der Waffen, zu erreichen.

Das Landgericht Offenburg versuchte wohl einen „Mittelweg“, indem es zwar eine „Geiselnahme“ annahm, aber nur in einem sogenannten „minderschweren Fall“, weil die Situation sich ja nicht über mehrere Stunden erstreckte, sondern nur wenige Sekunden dauerte. Dem entsprechend verhängte das Landgericht auch eine Gefängnisstrafe, die zwischen den Forderungen der Verteidigung und der Mindestfreiheitsstrafe für eine Geiselnahme von fünf Jahren lag, aber eben doch so hoch ist, dass eine Aussetzung zur Bewährung nicht möglich war. Dies wäre ein sehr ausgewogenes Urteil, welches den Umständen der Tat und dem Menschen Yves R. gerecht würde, sofern man die Geiselnahme bejaht. Ein juristischer Streitpunkt, der die Rechtsprechung schon seit Jahren beschäftigt. Im Interesse des Angeklagten kann und darf deswegen die Verteidigung mit dem Urteil des Landgerichtes nicht einverstanden sein, sondern muss versuchen, in der nächsten Instanz eine andere juristische Bewertung zu erreichen, die ein noch niedrigeres Strafmaß ermöglicht.

Unsere Partnerin Melanie Mast und Kollege Yorck Fratzky kämpfen also weiter um ein juristisch korrektes Urteil für Yves R., welches ihn möglichst wenig belastet. Darauf hat zum guten Glück in unserem Land jeder Mensch Anspruch und das Recht auf einen Anwalt, der ihm hilft dies durchzusetzen.

Das gilt aber nicht nur in großen, spektakulären Strafverfahren, sondern auch in den vielen Rechtsfällen des Alltages, die eine breite Öffentlichkeit gar nicht wahrnimmt, für die Betroffenen selbst aber von oft existentieller Bedeutung sind. Gerne helfen wir Ihnen, durch den juristischen Dschungel zu finden und Ihre Sicht der Dinge nachdrücklich darzustellen, um das bestmögliche Ergebnis für Sie zu erreichen.