Wenn mir GmbH-Geschäftsführer die Frage stellen, ob sie Insolvenz anmelden müssen, wollen sie die ehrliche Antwort normalerweise nicht hören. In Wahrheit wollen sie, dass ich Ihnen bestätige, dass sie nicht insolvent sind und weitermachen können. Wenn es dann doch zur Insolvenz kommt, wollen sie der persönlichen Haftung entgehen, indem sie darauf verweisen, dass sie sich doch „fachkundig haben beraten lassen“, nämlich von mir und ich gesagt, dass sie „nicht insolvent“ seien.

Auf derartige Manöver lassen wir uns natürlich nicht ein. Wer zu uns in die Beratung kommt, muss es auch aushalten, dass er ebenso zutreffend wie schonungslos über die Sach- und Rechtslage aufgeklärt wird, auch wenn ihm die Antwort nicht gefällt und er sich etwas anderes erhofft hat.

Große Erleichterung löst da das sogenannte Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG) aus. Sorry, das Gesetz heißt halt wirklich so sperrig, dass man gleich zwei Abkürzungen dafür braucht – eine, die den Sinn des Gesetzes noch erahnen lässt, aber ihrerseits schon wieder so lang ist, dass man sie auch abkürzen muss zu einer Buchstabenfolge, die eher an Keuchhusten erinnert als an Insolvenzrecht. Und scheinbar aufatmen kann man, dass dieses ursprünglich zum 30.09.2020 befristete Gesetz jetzt verlängert worden ist. Die Erleichterung ist aber trügerisch. Tatsächlich wird sehr viel weniger Unternehmen durch dieses Gesetz geholfen, als das glauben.

Die Insolvenzantragspflicht ist der Preis für die Haftungsbeschränkung. Ein Einzelunternehmer oder auch eine Personengesellschaft, in der mindestens eine „natürliche Person“ – das ist die juristische Bezeichnung für einen echten Menschen aus Fleisch und Blut – persönlich unbeschränkt haftet, kann unter bestimmten Voraussetzungen zwar einen Insolvenzantrag stellen, muss das aber nicht. Die Gesellschaften, bei denen kein echter Mensch unbeschränkt persönlich haftet, hingegen müssen einen Insolvenzantrag stellen, wenn Insolvenzgründe vorliegen. Das betrifft vor allem die GmbH, die ja schon so heißt: „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Es gilt natürlich auch für deren kleine Schwester, die sogenannte „Unternehmergesellschaft“, rechtlich korrekt abgekürzt „UG (haftungsbeschränkt)“, ein Rechtskonstrukt für Leute, die für ihr Unternehmen nicht persönlich voll haften wollen, aber nicht einmal die 25.000,- € Mindesteinlage für eine GmbH aufbringen können oder wollen. Und es gilt natürlich für die AG, die eG und den eingetragenen Verein (e.V.).

Solche Gesellschaften müssen einen Insolvenzantrag stellen, wenn sie entweder zahlungsunfähig oder überschuldet sind. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen einen Großteil seiner Verbindlichkeiten nicht dann bezahlen kann, wenn sie eigentlich bezahlt werden müssten und sich das auf absehbare Zeit auch nicht ändern wird. Das COVInsAG hat diese Pflicht zwar zunächst bis zum 30.09.2020 ausgesetzt, aber nur wenn die Probleme tatsächlich auf Corona zurückzuführen sind und wenn Aussicht auf Besserung besteht. Gedacht war das für Unternehmen, die sich mit den Corona-Soforthilfen und einem Zwischenkredit über Wasser halten können, wenn es einfach ein bisschen dauert, bei der Antrag bearbeitet und genehmigt ist. Für Unternehmen, die vor Corona schon Probleme hatten, aber auch solche, denen die Soforthilfen nicht reichen und die keine Kredite bekommen, weil sie auch in besseren Zeiten nicht genug verdienen können, um diese zurückzuzahlen, ist diese Regelung nicht gedacht. Die meisten Hotels und Gaststätten dürften darunter fallen. Dass es hier bislang nicht zu einer Pleitewelle gekommen ist, dürfte zum einen daran liegen, dass über Kurzarbeit und Vereinbarungen mit den Verpächtern viele Gastwirte ihre Kosten drastisch senken konnten, vor allem aber auch daran, dass der Gastwirt meist persönlich voll haftet und daher sowieso nicht verpflichtet ist, Insolvenzantrag zu stellen.

Für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.12.2020 wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zwar nochmal verlängert, aber nur für Unternehmen, die zwar überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Normalerweise würde eine Insolvenzantragspflicht nämlich schon dann bestehen, wenn zwar die laufenden Verbindlichkeiten noch bezahlt werden können, aber absehbar ist, dass das Unternehmen so viele Verbindlichkeiten hat, dass es die nächsten zwei Jahre nicht überstehen wird. Dies – und nur dies – ist jetzt nochmal ausgesetzt. Das bedeutet im Wesentlichen, dass solange genug Geld da ist, um alle laufenden Kosten zu bezahlen und man sich bezüglich Rückständen mit den Gläubigern rechtsverbindlich einigen und diese nicht nur auf vermeintlich bessere Zeiten vertrösten kann, Unternehmen keine aufwändige und teure Prüfung vornehmen müssen, ob sie wirklich überlebensfähig sind, sondern zunächst mal nach dem Prinzip Hoffnung weitermachen dürfen – zumindest bis das Geld wirklich alle ist, längstens aber bis zum Jahresende. Und vielleicht helfen die weiteren Finanzhilfen des Bundes und der Länder ja dann doch beim Überleben, auch wenn die Voraussetzungen für eine Unterstützung über die Soforthilfe hinaus kaum zu erfüllen sind.

Irgendwann aber kommt der Moment der Wahrheit. Und es empfiehlt sich nicht bis zum Jahresende zu warten, sondern die geschenkte Zeit zu nutzen und jetzt zu überlegen, ob es möglich und sinnvoll ist, alle aufgelaufenen Schulden ab 2021 zurückzuzahlen. Man sollte sich entweder klar machen, welche Schritte dafür erforderlich sind und diese dann konsequent jetzt schon einleiten oder aber der Tatsache ins Auge sehen, dass es nicht klappen wird und eine Sanierung, wenn überhaupt, nur über einen Schuldenschnitt funktionieren wird, der möglicherweise über eine Insolvenzverfahren am einfachsten erreicht werden kann.

Zur Unterstützung dabei können wir gute Unternehmensberater empfehlen. Und wenn die Insolvenz der beste Weg ist, können wir Ihnen diesen gerne zeigen und sie im Team mit Unternehmens- und Steuerberatern dabei begleiten.